30. April 2009: Mein erster Termin im Brustzentrum. Eine Ultraschalluntersuchung wirkt plötzlich wie ein Horrorfilm. 100.000 Fragen schießen durch meinen Kopf, der Oberarzt, der mich untersucht, beantwortet sie beinahe alle. Ehrlich und geradeaus. Angst habe ich sowieso schon seit dem Besuch beim niedergelassenen Frauenarzt. Der OA versucht mich zu beruhigen. Es sieht zwar shice aus, aber im Ultraschall lässt sich keine Diagnose stellen. In der dreidimensionalen Untersuchung, mit der normalerweise werdende Mütter ihre Babys bestaunen sehe ich einen Tumor, 3x2x3 cm groß, unscharf begrenzt, so viel Mikrokalk, dass man ihn in der Sonographie schon sieht (das dürfte normalerweise gar nicht sein). Daneben noch ein 2. Gewächs. Der OA meint, er würde das Ding am liebsten jetzt und sofort biopsieren, das sieht böse aus, das kann er sich bei einer 29jährigen Patientin aber nicht vorstellen. Problem daran - nach einer Biopsie kann wochenlang keine Mammographie mehr gemacht werden. Und für jetzt und gleich konnte er keinen Radiologen mehr organisieren. Es war schließlich beinahe 16 Uhr vor einem langen Wochenende. Also bekam ich einen neuen Termin.
4.Mai 2009: Eigentlich hätte ich Bereitschaftsdienst, das heißt 24h Klinikaufenthalt, als Arzt, nicht als Patientin. Stattdessen ist aber schon früh morgens der Weg in ein anderes Krankenhaus geplant. Vorstationäre Aufnahme. Wie bitte? Ich, statiönär, wozu denn? Naja, nur für die Diagnostik eben, danach hat sich das bestimmt erledigt. Erst Mammographie. Dann ein Gespräch samt Untersuchung beim Chefarzt. Blutentnahme. Schlußendlich wieder der Oberarzt vom Donnerstag, Biopsie. Entgegen aller Vorhersagen tat die trotz lokaler Betäubungsspritze aasig weh. Vor Schmerz und Angst geht mein Kreislauf in den Keller. Noch ein Gespräch beim Chefarzt und ich darf wieder nach Hause. Er meldet sich Dienstag abend telefonisch wegen dem Befund und ich bekomme einen Termin für Mittwoch.
6.Mai 2009: Niemand hat angerufen, Dienstag abend nicht und Mittwoch Vormittag auch nicht. Am Nachmittag fahre ich am Krankenhaus-Parkplatz beinahe eine Straßenlaterne um, sie hat es aber unbeschadet überlebt, mein Auto auch, nur das Nummernschild hat eine Delle mehr. 2 Szenarien spuken durch meinen Kopf. A: Dem Pathologen ist etwas dazwischengekommen, mein Befund ist noch nicht fertig. Darauf hoffe ich sehr, denn Szenario B lautet "Schlechte Befunde bespricht man nicht am Telefon mit Patienten". Ein ethischer Grundsatz. Endlich ist es soweit, ich werde von der Arzthelferin aufgerufen. Vom Chefarzt werde ich mit freundlichem Handschlag aber sorgenvollen Blick empfangen. Nach kurzer Untersuchung und Gespräch die Diagnose: Das, was bisher als worst case angesehen wurde, ein DCIS, ein ductales Carcinoma in situ, ist in Wirklichkeit nur noch ein wichtiger Nebenbefund. In mehreren Biopsieteilen wurde ein echter, bösartiger Brustkrebs gefunden. Ich fühle mich wie von einem schweren Stein, nein von einem Erdrutsch, erschlagen.
Eine sofortige Krankschreibung lehne ich dankend ab, ich habe noch zu viel aufzuarbeiten, außerdem kann ich das alles gar nicht glauben. Irgendwann wird der Wecker läuten und mich aus diesem Albtraum holen. Ich vereinbare einen OP-Termin für den 11. Mai, am Wochenende davor möchte ich meinen 30. Geburtstag feiern.
An den Nachhauseweg kann ich mich nicht mehr erinnern. Zucchero sang "Il Volo" in voller Lautstärke aus dem Autoradio und ich habe eine Packung Taschentücher vollgeheult, mehr weiß ich nicht. Fakt ist, ich kam unfallfrei wieder in der Arbeit an. Dort warteten meine Patienten auf mich und lenkten mich erst mal von meinen Problemen ab. Dann kam aber der zweitschwierigste Part des Tages: Wie sage ichs den Anderen. Meine besten Freunde und Freundinnen hatte ich schon während der letzten Tage in meine Probleme eingeweiht. Aber wie sag ichs meinem Chef? Wie wird er reagieren? Wie sag ichs meinen Eltern?
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen